Amazon tanzt mit Storytelling durch die Krise
In der Corona-Krise steht der Kulturbetrieb still. Kulturschaffende gehen finanziell und emotional auf dem Zahnfleisch. Profiteure der Krise sind Online-Plattformen wie Netflix oder Amazon. Doch ausgerechnet Amazon thematisiert in dem Spot “The Show must go on” die Kultur-Krise.
Der Film erzählt die Geschichte einer Balletttänzerin, die auserwählt wurde, der Star der nächsten großen Show zu sein. Nach anfänglicher Freude zerstören die Corona-Einschränkungen diesen Traum und der Auftritt wird abgesagt. Doch dank ihres Umfelds und Amazon kommt die Protagonistin doch noch zu ihrem Auftritt, der auf dem Innenhof ihres Wohnblocks stattfindet, mithilfe eines bei Amazon bestellten Scheinwerfers. Mit dieser Geschichte inszeniert sich Amazon als Helfer der Balletttänzerin, die stellvertretend für alle Kulturschaffenden steht. Das ist vor allem deshalb zynisch, weil die Protagonistin bei genauerer Betrachtung und Heranziehen der Aufmerksamkeitsökonomie in Konkurrenz zu dem Konzern steht und dieser von der aktuellen Krise der Kulturschaffenden profitiert. Kurz gesagt: Wer nicht zu einem Ballett-Auftritt gehen kann, schaut in der Zeit evtl. Amazon-Prime.
Geschicktes Verwenden des Corona-Narrativs
Doch der Spot funktioniert dank hervorragendem Storytelling trotzdem. Amazon ist es mit dem Spot “The show must go on” gelungen, das Narrativ der Corona-Pandemie aufzugreifen und in eine bewegende Story zu verpacken. Anhand der Ballerina sehen die Zuschauer eine Geschichte, die sie so ähnlich selbst erlebt haben könnten und können so einfach in die Welt der Protagonistin einsteigen. Dabei greift der Spot bekannte Elemente (Masken, Unterricht via Zoom, das Klatschen vom Balkon, das einsame Liegen im Bett, die Absage von Veranstaltungen) auf, die wir in den letzten Monaten kennengelernt haben und nimmt uns so mit auf eine Reise durch das Jahr 2020. Mit Elementen aus der Heldenreise, dem immer wiederkehrenden Motiv der leidenschaftlichen Tänzerin, die sinnbildlich für das Ausleben unserer Leidenschaften steht, schafft es der Spot, den Zuschauer emotional zu involvieren. Selbst Amazon-Kritiker können sich dem nicht vollständig entziehen und sind kurzzeitig verzaubert. Mit etwas Abstand fällt aber die Dialektik ins Auge, dass sich der Konzern als Helfer von Kulturschaffenden inszeniert, aber eigentlich von deren Krise profitiert, indem es die Unterhaltung direkt ins Wohnzimmer liefert.
Die Show geht weiter – dank Amazon
Auch das wird in dem Spot geschickt vermittelt, da die Leute der Ballett-Show auf dem Innenhof aus ihren Wohnzimmerfenstern zusehen. In der aktuellen Zeit sehnen sich die Menschen nach Abwechslung und etwas Besonderem im eintönigen Corona-Alltag. Der Spot vermittelt, dass Unterhaltung und Kunst nicht in großen Sälen stattfinden muss, sondern Corona-konform vom Balkon der eigenen Wohnung genossen werden kann. Das Motto des Spots passt in diesen Bedeutungsraum: Die Show muss weitergehen, und wenn das aufgrund der Umstände in seinen normalen Lokalitäten nicht möglich ist, so bringt Amazon die Show zum Zuschauer nach Hause, sei es mit der Lieferung verschiedener Produkte oder dem Bereitstellen von Serien und Filmen auf Amazon-Prime. Amazon inszeniert sich als der Akteur, der dafür sorgt, dass die Show beim Zuschauer zu Hause weitergeht. Dadurch, dass man bei Amazon weiterhin Produkte kaufen kann, während der Einzelhandel geschlossen ist und die Menschen sich via Prime weiterhin unterhalten lassen können, nimmt Amazon in dieser Zeit tatsächlich eine wichtige Rolle ein. Ohne Amazon wären unter dem ein oder anderen Weihnachtsbaum wohl weniger Geschenke gelandet. Amazon ist also ein Helfer und schafft es durch die Kampagne, diese Stärke herauszustellen.
Amazon beschwört “Kraft der Gemeinschaft”
Simon Morris, Vice President Global Creative von Amazon, erklärte die Kampagne wie folgt: “Unsere Weihnachtskampagne wurde inspiriert von der unbezwingbaren menschlichen Seele und der Kraft der Gemeinschaft, die wir in diesem Jahr so oft erlebt haben.” Die Kraft der Gemeinschaft wird in dem Spot sehr gelungen dargestellt. Dass Amazon sich als Befähiger dieser Gemeinschaft darstellt, ist unter dem Gesichtspunkt der aggressiven Preispolitik gegenüber Konkurrenten und der schlechten Bezahlung von Mitarbeitern, die Streiks in der Weihnachtszeit auslöste, aber sehr kritisch zu sehen.
Insgesamt erreicht der Spot aber sein Ziel: Er verknüpft die Emotion des Überwindens der schweren Corona-Zeit mit der Marke Amazon und hinterlässt durch seine berührende Geschichte einen bleibenden Eindruck.
Hier geht es zum Video: „The Show must go on“