Storytelling im Employer Branding

„Thank God it’s Friday“

Der Weg in die Arbeit ist für viele die kürzeste Verbindung zwischen „I don’t like Mondays“ und „Thank God it’s Friday“. Sehnsüchtig wird auf das Wochenende hingefiebert, der Urlaub unter Palmen herbeigesehnt und der nächste Feiertag lacht hoffentlich schon vom Kalender.

Seit 2001 untersucht Gallup jährlich den Grad der emotionalen Bindung der Arbeitnehmer in Deutschland. Laut der aktuellen Studie 2019 haben lediglich 15 Prozent der Beschäftigten in Deutschland eine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Die meisten Arbeitnehmer (69 Prozent) verrichten nur Dienst nach Vorschrift. Fast sechs Millionen Arbeitnehmer (16 Prozent) haben innerlich bereits gekündigt; davon sind 650.000 aktiv auf Suche nach einem anderen Job. Der volkswirtschaftliche Schaden beträgt bis zu 122 Milliarden Euro jährlich, rechnet Gallup vor.

Der Kampf um die besten Köpfe: Glück oder Geld?

Gleichzeitig herrscht ein Überangebot an Karriere-Messen, der Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter läuft auf Hochtouren und Employer Branding ist in aller Munde. Letzteres birgt viel Potenzial für Missverständnisse: Da ist die Rede von „Innovative Culture“ und gemeint sind dann Bilder der Mitarbeiter im Foyer, Kickertische, Obstkörbe und flexible Mittagspausen.

Vor allem aber herrscht noch in vielen Unternehmen trotz des offensichtlichen War for Talents die Annahme vor, dass ein Kandidat sich brav bei ihnen bewirbt, wenn sie sich nur modern und positiv darstellen. Dabei müssen Marken heute ihrerseits in allen Branchen durch nachhaltiges Employer Branding um die besten Köpfe werben.

Drei von vier Kandidaten stellen höhere Anforderungen an Unternehmen als früher, so ein Ergebnis der Employer Branding Studie 2019 von Monster.de. Während Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Stellen zu besetzen, ist ein Drittel der Kandidaten optimistisch, bei einem Arbeitgeberwechsel einen Traumjob zu finden. In der Studienauswertung wird festgestellt: „Gegenseitige Wertschätzung ist der wichtigste Baustein einer idealen Unternehmenskultur – das sagen sowohl Kandidaten als auch Unternehmen.“

Dazu kommt noch, dass besonders die Generation Y anders leben und arbeiten will. Kerstin Bund, Autorin bei „Die Zeit“, hat unter dem Titel „Glück schlägt Geld“ ein Buch darüber geschrieben. Hier erklärt sie kurz, worum es geht.

Wo arbeiten wir – und warum?

Dass die Leidenschaft der Einzelnen mit dem, was sie beruflich tun immer seltener zusammenpasst, ist offensichtlich: Beratungsangebote rund um das Thema „Finde Deine Bestimmung“ nehmen explosionsartig zu. „Raus aus dem Hamsterrad“, „Lebe Deinen Traum“, Passion-Projects, Selbständigkeit von Zuhause aus – Web-Plattformen, Online-Kurse, Bücher, Festivals und Inspiration-Nights versprechen Orientierungshilfe bei der Suche nach Antworten auf die schmerzlich brennende Frage: „Wofür bist Du eigentlich angetreten?“

Bewerber wollen sich mit den Werten ihres Arbeitgebers identifizieren. Die Kultur eines Unternehmens und dessen Purpose sind die wichtigsten Gründe, weshalb Menschen sich für einen Arbeitgeber entscheiden.

Einer Umfrage von Glassdoor zufolge würden sich mehr als drei Viertel (77%) aller Befragten vor einer Bewerbung genau mit der Unternehmenskultur auseinandersetzen. Denn: Mehr als jeder zweite Teilnehmer (56%) ist der Überzeugung, dass die Kultur einen höheren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit hat als das eigene Gehalt. Fast neun von zehn Befragten (89%) erwarten, dass sich ein Arbeitgeber mit einer klaren Unternehmensphilosophie positioniert.

Purpose-driven macht den Unterschied

Großartige Unternehmen tun heute genau das: Sie widmen sich einem großen Sinn – und machen Unternehmenszwecke wie „Umsatz“ oder „Gewinn“ zum nachgelagerten Erfüllungsgehilfen:

  • SpaceX hat die Besiedlung des Mars in den nächsten zwanzig, dreißig Jahren zu seiner Mission auserkoren.
  • Viva con Agua ermöglicht die Wasserversorgung in Problemgebieten.
  • Starbuck’s will seine Cafés zum „Third Place“ (neben Arbeit und Zuhause) in unserem Leben machen.
  • Lego arbeitet dafür, dass das gute Spielen auf der Welt triumphiert.
  • Google verfolgt das Ziel, uns alle Informationen der Welt zugänglich machen.

Jedes Unternehmen, das aus dem reinen Mittel-Zweck-Utilitarismus ausbricht und deutlich mehr verfolgt als die Maximierung der finanziellen Profite trägt zu einem Übertritt in das neue Zeitalter bei.

Welchen Effekt der unternehmerische Purpose auf die Produktivität und den Erfolg von Mitarbeitern hat, wurde durch LinkedIn erforscht: Die Sinn-orientierten Mitarbeiter der Plattform zeigen deutlich höheres Engagement und beschreiben ihren Job als erfüllender. Sie übertreffen ihre Kollegen in jeder Hinsicht – von der Bindungsdauer an das Unternehmen bis zu Führungsfähigkeiten.

Employer Storytelling: Der Weg zu Authentizität

Die wirklich relevante Story, die Unternehmen heutzutage erzählen müssen, lautet demnach: Hier leistest Du einen sinnvollen Beitrag zu etwas Großem, zu unserem gemeinsamen Purpose! Eine Erfolgsgeschichte im Employer Branding erzählt vom Selbstwert, von dem Gefühl, einen wertvollen Beitrag zu leisten, also wirkungsvoll und relevant zu sein. Die Story eines Unternehmens – sein Anliegen, seine Mission, seine Aufgabe – sorgt für das Erleben von Sinn(haftigkeit).

Deshalb sind die Mitarbeiter das erste und wichtigste Publikum jedes Unternehmens, weil in dieser Gruppe die Wahrheit verstanden, gelebt und geteilt wird. Mitarbeiter sind die wichtigsten Helden und gleichzeitig die besten Erzähler, wenn es darum geht, ein authentisches Bild als Arbeitgeber zu zeichnen. Statt theoretischer Argumente für die Unternehmenskultur geben Mitarbeitergeschichten der Employer Brand viele unterschiedliche Gesichter. Sie sind konkreter, reichhaltiger und emotionaler – all das, was Storytelling erfolgreich macht und ermöglicht, dass sich potenzielle Kandidaten auf Augenhöhe mit der Brand identifizieren.

Eine Studie von Pathmotion 2018 untersuchte den Immersionsgrad (Kombination aus Aufmerksamkeit und emotionaler Resonanz) von Kandidaten während eines Standard-Rekrutierungsprozesses. Die Immersion ist ein starker Indikator dafür, ob die präsentierten Inhalte überzeugend sind und zum Handeln bewegen. Anhand der physiologischen Daten der Teilnehmer, wie Herzfrequenz und Oxytocinspiegel, konnten die Studie aufzeigen, dass die Mitarbeitergeschichten 20 Prozent immersiver wirken als die bloße Rekrutierung über Karriereseiten. Mitarbeitergeschichten sind außerdem zu 50 Prozent weniger frustrierend als Karrierewebsites und liegen deutlich unter den Branchenbenchmarks für Frustration.

Jedoch ist nicht jede Mitarbeitergeschichte automatisch überzeugend: Viele Karriereseiten verwenden dasselbe Testimonial-Videoformat, bei dem Mitarbeiter darüber sprechen, wie toll es ist, in der Firma X zu arbeiten, einige Vorteile oder Vergünstigungen auflisten und dann Dinge sagen wie: „Unser Team ist wie eine Familie“ oder „We work hard and play hard“. Statt vorgefertigter Formulierungen von Marketing- und Personalabteilungen, sollten die Mitarbeiter eigene Worte wählen, um Ihre Unternehmenskultur zu beschreiben. Das hat auch „Clue“, Anbieter einer Gesundheits-App für Frauen, mit deren Hilfe sie ihren Zyklus ermitteln können, erkannt. In dem Recruiting-Video „Working at Clue“ kommen vor allem die Mitarbeiter mit kurzen Statements zu Wort. Mit Aussagen wie „I take my bike to work“, „I bring my dog to work“ oder auch „On my first day of my period, I usually work from home“ erkennt man schnell, dass Clue sich Gedanken über die persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter macht. Android-Engineer Eugenio beichtet beispielsweise, dass er zu viel Kaffee trinkt – kein Wunder bei der professionellen Kaffeemaschine. Und der laktoseintolerante iOS-Developer Martin holt selbstverständlich seine Sojamilch aus dem Kühlschrank.

Im Recruiting-Prozess schaffen Mitarbeitergeschichten ein tieferes Verständnis für die Stellenanforderungen: Bewerber verstehen besser, was sie in der neuen Position in Ihrem Unternehmen erwartet. Um vagen oder gar falschen Vorstellungen über ausgeschriebene Stellen entgegenzuwirken, hat sich die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers etwas Besonderes einfallen lassen. Die meisten Berufseinsteiger verbinden mit dem Unternehmen überwiegend Tätigkeitsbereiche wie Wirtschaftsprüfung und Steuern. Über die Karriereseite von PwC kann man sich zuerst einer der folgenden drei Kategorien zuordnen, über die man dann wiederum zu speziell zugeschnittenen Karriere-Informationen gelangt: Studenten, Berufserfahrene und Schüler. Letztere Gruppe wird zu dem PwC Jobmatcher geführt, der eine Mischung aus Erklärvideo, Jobmatching und Storytelling ist. In den vier Kapiteln „Die Entscheidung“, „Verstecktes Geheimnis“, „Der Neustart“, „Happy End?!“ wird die Geschichte vom Firmenzusammenschluss des fiktiven Autoherstellers Aiolos mit dem ebenfalls fiktiven Cloud-Daten-Service Cumulis erzählt.

Die Macht der Geschichten überzeugend einsetzen

Um authentisch seine Werte zu vermitteln und nachhaltig seine Arbeitgebermarke aufzubauen, sollte ein Unternehmen beim Aufbau seiner Geschichten folgende Charakteristika berücksichtigen:

  • Narrativ: Eine dramaturgische Struktur muss vorhanden sein.
  • Authentizität: Es geht um echte, gelebte Erfahrungen.
  • Detail: Vage Aussagen sollten vermieden werden.
  • Sinnvolle Herausforderungen: Wie werden Hindernisse überwunden? Wie können die potenziellen Mitarbeiter wachsen?
  • Praktische Tipps: Den Kandidaten sollten Ratschläge gegeben und erreichbare nächste Schritte aufgezeigt werden.

Die Grundlage für erfolgreiches Storytelling im Employer Branding ist und bleibt, dass die Vision und die Werte im Unternehmen auch tatsächlich vorhanden und tagtäglich gelebt werden. Nur so lohnt sich die Suche nach spannenden und authentischen Mitarbeitergeschichten, die dann wiederum in einer Vielzahl an Genres aufbereitet werden können. Ob Unternehmensfilm, Blogposts, Tweets oder interaktive Erzählformate – die Macht der Geschichten hat einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg bei der Rekrutierung der Top-Talente von morgen. Nicht zu vergessen ist dabei, dass das Zulassen von emotionalen Blickwinkeln und das Schaffen von Räumen, in dem Mitarbeiter Ihre Unternehmensgeschichte erzählen können, neben der positiven Außenwirkung zudem die interne Mitarbeiterbindung, deren Identifikation und Engagement fördert.

Mit narrativen Ansätzen im Web und Social Media beschäftigen wir uns auch in dem Seminar „Digital Storytelling – mit Geschichten Reichweite im Web schaffen“ am 18. und 19. Juni 2020 im Rahmen der Fortbildung mit Hochschulzertifikat „Storytelling im Unternehmen“ in Stuttgart. Noch sind wenige Plätze für Kurzentschlossene frei. Hier geht es zur Anmeldung!

 

Quellen:

https://www.markusgull.com/employer-branding-warum-wir-fuer-storys-und-nicht-fuer-geld-arbeiten/

https://www.youtube.com/watch?v=F4jnzUg6TIQ

https://www.mashup-communications.de/2017/06/employer-branding-storytelling/

https://medienrot.de/werte-vision-und-wuensche-vermitteln-erfolgreiches-employer-branding-mit-storytelling/2/

https://tlnts.de/employer-branding/nachhaltiges-employer-branding/

https://www.presseportal.de/pm/31973/4288253

https://blog.wiwo.de/management/2019/09/12/gallup-studie-2019-rund-sechs-millionen-beschaeftigte-glauben-nicht-an-ihr-unternehmen-mit-122-milliarden-euro-folgeschaeden-schuld-sind-die-fuehrungskraefte-selbst/

https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/driven-by-purpose-eine-neue-aera/

https://www.glassdoor.de/blog/umfrage-firmenphilosophie-unternehmenskultur-wichtiger-als-gehalt/

https://business.linkedin.com/content/dam/me/business/en-us/talent-solutions/resources/pdfs/purpose-at-work-global-report.pdf

https://www.ere.net/how-to-use-storytelling-to-build-a-better-employer-brand/

https://business.linkedin.com/content/dam/me/business/en-us/talent-solutions/resources/pdfs/purpose-at-work-global-report.pdf

https://www.pathmotion.co

https://www.youtube.com/watch?v=IQ_1ooMb0T8

Empfohlene Beiträge

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen